EU-Politiker wollen Digitalwirtschaft mit neuen Instrumenten stärken

EU-Politiker werben angesichts der Kritik aus der Digitalwirtschaft für ihre Regulierungsoffensive. DSA, DMA unc Co. seien "große Schritte nach vorn".​

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Eine stilisierte Europakarte

(Bild: StudioProX/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ulrich Hottelet

Mit dem Digital Services Act (DSA), dem Digital Markets Act (DMA) und anderen Regelwerken will die EU der Digitalwirtschaft Zügel anlegen. Das bleibt nicht unwidersprochen. Auf einer Veranstaltung des Berliner Tagesspiegels am Montag diskutierten EU-Politiker über das richtige Maß – auch im Hinblick auf die bevorstehende Europawahl.

"Grundsätzlich haben wir mit den Rechtsakten große Schritte nach vorn gemacht. Die meisten wurden auch mit großer Mehrheit verabschiedet", sagte Hildegard Bentele (CDU), Mitglied im Ausschuss des EU-Parlaments für Industrie, Forschung und Energie. Der oft geäußerten Kritik der Überregulierung hielt sie entgegen: "Die Unternehmen fragen uns nach Rahmenbedingungen. Sie wollen sie, um Planungssicherheit zu haben." Zugleich setze sich die EU mehr für die Verbraucher ein als die USA.

"Ein Beispiel für Regulierung, die nicht automatisch zu mehr Bürokratie führt, ist die Vereinheitlichung von Standards. Sie erspart der Wirtschaft einen Flickenteppich", sagte Sergey Lagodinsky (Grüne), stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses des Europaparlaments. Demokratie und Rechtsstaat seien die Stärke der EU, lobte Svenja Hahn (FDP), Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Die Regelwerke gingen jedoch "zu selten in Richtung von mehr Innovationsfähigkeit".

Im Laufe der Diskussion nannten die drei Europapolitiker – die Vizepräsidentin des EU-Parlaments und SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley war krankheitsbedingt verhindert – einige konkrete Instrumente und Maßnahmen, um die Digitalwirtschaft in Europa in der nächsten Legislaturperiode zu fördern. "Es geht vor allem um die Mobilisierung des Kapitals", sagte Lagodinsky. So flossen im ersten Halbjahr 2023 in den USA 30,8 Milliarden US-Dollar Wagniskapital in KI-Start-ups, während es im selben Zeitraum in Europa nur 3,7 Milliarden Dollar waren.

Um aufzuholen und Anreize zu setzen, sprach sich Lagodinsky für staatliche Hermes-Bürgschaften für Investitionen in Innovationen aus. Er plädierte auch für "Gründer-Erasmus-Programme" und grenzüberschreitende Fellowships für Gründer. Das Insolvenzrecht müsse für Investoren verbessert werden, denn in den USA dürften Venture-Capital-Geber andere Projekte weiter betreiben, selbst wenn eines davon in Konkurs ginge. Das sollte auch in der EU gelten, sagte der Grünen-Abgeordnete.

Das Steuerrecht müsse mehr Abschreibungen ermöglichen, meinte Lagodinsky. Daran anknüpfend forderte Hahn Steuererleichterungen, wie sie auch der Inflation Reduction Act in den USA ermöglicht habe. Grundsätzlich müsse sich aber das "Mindset" in Deutschland ändern. "Wir brauchen mehr Risikobereitschaft wie in Schweden", sagte die Liberale.

Die EU solle mehr Geld für Digitalisierung ausgeben, aber die nationale Ausgestaltung der Mittelvergabe den Mitgliedsländern überlassen, forderte Hahn. Zur Förderung der Datenwirtschaft plädierte sie für internationale Datenabkommen mit einzelnen Staaten, eine Erleichterung des "digitalen Nomadentums" und generell mehr Datennutzung.

Valentina Daiber, Vorständin für Recht und Corporate Affairs bei Telefónica Deutschland, sprach sich für Änderungen im Wettbewerbsrecht aus, um Kooperationen und Übernahmen von Unternehmen zu erleichtern. Die derzeit von allen Seiten kritisierte Bürokratie will sie dadurch eindämmen, dass die für Unternehmen oft belastenden umfangreichen Dokumentationspflichten reduziert werden.

(vbr)